gelbes_gilatier: (Sprache an sich und ansonsten)
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s geht voran. Trotz WM-Taumel.

Zwei

 „Seid Ihr immer noch nicht fertig?“, sagte der Hauptmann – von dem ich inzwischen wusste, dass er Charris hieß, oder zumindest vorgab so zu heißen – zu Justine gewandt. Die Pfützenmagierin stand immer noch neben ihrem Pferd und zurrte hier etwas fest und lockerte da etwas und packte dieses um und jenes wieder zurück... Kurz: der Hauptmann hatte schon jetzt die Schnauze gestrichen voll. Ich hingegen hatte meinen Spaß, auch wenn ich darauf achtete, mir das nicht allzu sehr anmerken zu lassen.

 „Ja, doch. Das ist sehr wertvolles Material.“, sagte sie und schaute ihn indigniert an. Als er zu einer scharfen Erwiderung ansetzen wollte, fuhr sie fort: „Und sagt nicht, dass ich das nicht hätte mitnehmen sollen. Diese Dokumente sind unabdingbar für unsere Tarnung.“ Innerlich grinste ich. Sie hatte vollkommen recht. Wenn wir als ihre Eskorte zurück in ihre Heimat an den Hof ihres Vaters gelten wollten, brauchten wir diverse Schriftstücke, die uns als solche auswiesen. Vom Hauptmann gingen flackernde Wellen aus, die eindeutig zeigten, dass es ihm überhaupt nicht gefiel, dass sie recht hatte.

Nach weiteren zehn Minuten voller Unmutsäußerungen des Hauptmanns und – provozierend – genauen Überprüfungen auf Justines Seite saß die junge Magierin endlich auf und unser kleiner Tross setzte sich in Bewegung, um den Burghof, der von anderen aufbrechenden Soldaten, mit dem Aufbau des Magierturms beschäftigten Magiern und Handwerkern und obdachlos gewordenen Bürgern der Stadt nur so wimmelte, zu verlassen.

 Mein Pferd – eine braune Stute namens Castan – war ein Kriegspferd und derartige Menschenaufläufe daher gewohnt, ebenso wie der graue Wallach des Hauptmanns, aber Justines feingliedrige offenbar reinblütige Westlandstute schien ein echtes Edelpferd zu sein. Schnaubend und tänzelnd ließ sie sich von der Magierin nur widerstrebend durch die Menge lenken. Ich hatte wirklich Bedenken, ob sie es heil bis zum Burgtor schaffen würde.

 Erst als wir – in Justines Fall zwar durchgeschwitzt und etwas derangiert, aber ansonsten heil – tatsächlich durch das Tor durch waren und uns unter Führung des Hauptmannes nach Norden wandten, bemerkte ich, dass ich die ganze Zeit meine Kiefer vor Anspannung aufeinander gepresst hatte und zwang mich, meine Gesichtszüge und generell meinen Körper zu entkrampfen. Castan dankte es mir, indem sie einmal kurz schnaufte und dann kräftig genug ausschritt, um zum Wallach des Hauptmanns aufzuschließen.

 Eine Weile ritt unsere Gruppe still die Straße entlang, nur unterbrochen von Höflichkeitsnicken oder –grüßen zu diversen anderen Soldaten, Händlern oder Bauern, die uns überholten oder uns entgegenkamen. Der Himmel war bedeckt, und in der Schärfe des Windes merkte man den sich inzwischen schnell nähernden Winter recht deutlich. Ich war froh, dem Quartiermeister meiner Einheit kurz vor unserer Abreise noch ein paar neue Handschuhe aus dem Kreuze geleiert zu haben.

 Als wir etwa fünf Kilometer von der Burg entfernt waren und gerade in den Heller-Wald einritten, erklang auf einmal ein zaghaftes Räuspern von hinten. Der Hauptmann und ich drehten uns beide um und sahen eine im Gesicht rosé angelaufene Justine. Auf das Augenbrauenheben des Hauptmanns hin räusperte sie sich noch einmal und sagte dann: „Ich... also... ich fragte mich gerade...“ Sie räusperte sich noch einmal, reckte dann ihr Kinn und sagte mit etwas fester klingender Stimme: „Ich möchte eine Pause machen. Für... persönliche Bedürfnisse.“ Ihre Haut färbte sich wieder, diesmal zu richtigem Rot. Ich konnte gerade noch so ein amüsiertes Schnauben unterdrücken.

 Der Hauptmann hingegen sah aus, als wenn er sich nur mühsam beherrschen konnte, die kleine Magierin nicht wie einen Rekruten bei der ersten Marschübung runterzuputzen. Fast durch die Zähne gepresst sagte er: „Das hätte Euch schon in der Burg einfallen können. Stattdessen habt Ihr unsere Zeit mit unsinnigem Herumgezurre verbracht. Ich denke, Ihr seid durchaus in der Lage, die paar Kilometer durch den Wald durchzuhalten.“

 Sie öffnete den Mund. „Aber...“

 Mit einem einigermaßen grimmigen Gesichtsausdruck schnitt der Hauptmann ihr das Wort ab: „Nein. Daran hättet Ihr in der Burg denken können. Wir reiten weiter. Und falls es wirklich dringend sein sollte, dann könnt ihr das immer noch später am Wegesrand erledigen.“ Für einen kurzen Moment blitzte wieder die Rebellion in ihren Augen auf, die ich schon mal gesehen hatte, aber am Ende begnügte sie sich damit, ihren Mund zu einem Strich zusammenzuziehen und nur zu nicken. Als wir uns wieder in Bewegung setzten, sah ich auf einmal, wie sie verstohlen einen Schutzzauber in die Luft malte und ein Gebet murmelte. Daher wehte der Wind also. Unsere kleine mutige Magierin fürchtete sich vor den im Heller-Wald angeblich umherstreifenden Werwölfen und allerlei anderen Schauergestalten. Dabei wusste doch jeder, dass das nur Gruselgestalten für lange Abende am Lagerfeuer waren.

Neben mir brummte es auf einmal missmutig. "Wenn sie jetzt auch noch "Ich will" gesagt und mit dem Fuß aufgestampft hätte, hätte ich sie und ihr kleines Edelpferdchen sofort eigenhändig zurück zur Burg geschleppt, wichtige Dokumente oder nicht." Wieder einmal unterdrückte ich ein schadenfrohes Grinsen. Es würde eine spannende Reise werden, in der Tat.

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