Such, such, such die tatsächlich existierende Person, die auf persönlichen Wunsch hier verewigt ist!
(Und bedenke: Ich hab dich vorgewarnt, nech?)
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Eins
Es war irgendwann spät in der Nacht, als ich reichlich müde und
etwas angeschlagen Riannas Gemach verließ und mich auf den Weg zu meinem
eigenen Quartier machte. Ich unterdrückte ein Stöhnen, als ich an den Weg
dachte, der noch vor mir lag. Man hatte mir ein Bett in einer der
Offiziersunterkünfte in den Kasernen zugewiesen, und es lag auch noch am
anderen Ende der Burg. Ich musste erst aus dem Magiertrakt heraus, dann auf den
Wehrgang und eine halbe Runde laufen, dann wieder runter vom Wehrgang und
schließlich durch ein paar Gässchen und über mehrere Treppen in mein Quartier.
Leise fluchend suchte ich mir meinen Weg durch den Magiertrakt. In anderen
Teilen der Burg war es um diese Zeit still, aber nicht hier. Viele Magier – vor
allem die, dem Feuer dienten – waren Nachtgeschöpfe, und auf den Fluren und in
den einzelnen Räumen herrschte zum Teil reges Treiben. Immer wieder sah ich sie
einzeln oder in Gruppen – viel zu häufig in rote Roben gewandet – durch die Flure
hetzen, schlendern oder schleichen. Es machte mich ganz wahnsinnig.
Um ehrlich zu sein: Es war nicht das Gewusel, das an meinen Nerven zerrte,
es war die überwältigende Gegenwart von Feuer. Zu dem an sich schon sehr
unerfreulichen Talent zur Magie, das mir leider in die Wiege gelegt worden war,
gehörte auch die noch unangenehmere Eigenschaft, arkane Energiefelder
wahrnehmen zu können. Oder, um es in einer verständlichen Sprache auszudrücken:
Ich konnte die Magie, die von anderen ausging, fühlen. Jede Elementarenergie
fühlte sich anders an, und auch jede persönliche Energie fühlte sich
anders an.
War ich mit jemandem in einem Raum, der dem Wasserorden diente, dann ging
von ihm vielleicht eine feuchte Kühle aus oder das Gefühl, von warmem Wasser
umspült zu werden. Erdmagier hingegen gaben einem vielleicht das Gefühl, mitten
in einem Wald zu stehen, während Luftmagier wie meine Schwester Rianna das
Gefühl vermittelten, als sei der Frühling im Raum, oder dass gleich Schnee
fallen würde. Und Feuermagier... Ich schüttelte mich unwillkürlich, als ich an
die trockene Hitze, die von den meisten ausging, dachte. Ich hatte jedes Mal
das Gefühl, als würde ich innerlich vertrocknen, wenn sie mir zu nahe kamen,
und auch jetzt wünschte ich mir wieder inbrünstig, nicht mit magischem Talent
geschlagen zu sein.
In mein dumpfes Brüten versunken, stolperte ich auf einmal über eine
Gestalt in Blau. Verärgert stieß ich eine Reihe hässlicher Flüche aus,
verstummte aber jäh, als die Gestalt sich bewegte. Ein sehr junges, sehr weibliches
und sehr ängstliches Gesicht sah mich an.
„Was?“, herrschte ich das Mädchen an, und die schon vor Angst geweiteten
Augen schienen noch größer zu werden. Aber ich war zu müde und zu angespannt,
um Mitleid empfinden oder Freundlichkeit wenigstens heucheln zu können. Wenn
ich ehrlich war, dann kam mir das Mädchen sogar ganz recht. Das anhaltende
Gefühl von Feuermagie auf dem ganzen Körper trug nicht gerade dazu bei, die
ärgerliche Spannung in mir abzubauen, die ich selbst nach dem langen Gespräch mit
Ri noch in mir trug. Ein bisschen rumschubsen konnte vielleicht schon eher
Abhilfe schaffen.
„Entschuldigt, Herr, ich habe... ich wollte nur...“ Göttin, das ging zu
weit. Vielleicht machte ich mir nichts aus Schminke und Schmuck und Kleidern,
aber selbst ich war empfindlich, wenn jemand mich nicht als Frau
erkannte, zumindest dann, wenn ich nicht von oben bis unten mit Dreck und Blut
beschmiert und in vier Lagen Kleider und Metall gehüllt war. So wie jetzt.
„Herrin. Es heißt „Entschuldigung, Herrin.“, ist das klar?
Göttin, bist du etwa blind?“ Das Mädchen warf sich zu Boden. In einer Stimme,
die mit der Angst noch eine Oktave höher gerutscht war, wisperte sie:
„Entschuldigt, Herrin. Ich habe nur... meine Augengläser... sie liegen im
Labor, und ich wollte sie holen. Herrin, es kommt nie wieder vor. Bestraft
mich, wie immer Ihr es für richtig haltet, aber bitte, Herrin, verratet nichts
meinem Meister. Er schimpft immer über meine Ungeschicklichkeit, und er hat ja
auch recht, aber ich versuche doch schon...“
Göttin in den Tiefen des Ozeans, die Kleine gehörte zu allem Überfluss auch
noch zu der Sorte Mensch, die unter Druck gesprächig werden. Und jetzt tat sie
mir auch noch ein wenig leid. Ich war eindeutig zu weich.
Seufzend ging ich in die Knie, fasste sie bei der Schulter und richtete sie
auf. „Wer bist du eigentlich, Kleine?“
Ihr Gesicht war verheult, und ihre Nase lief. Verstohlen wischte sie mit
dem Ärmel ihrer weiten Robe einmal über das Gesicht und sagte dann unter
Schniefen: „Justine, Herrin. Ich bin... gerade Pfützenmagierin geworden. Aber
mein Meister sagt, ich werde es nie weiter bringen...“ Jetzt fing sie schon
wieder an. Wenn sie so weitermachte, dann verspielte sie den kleinen
Sympathiebonus, den mein weiches Herz und ihre Zugehörigkeit zum Wasserorden
ihr eingebracht hatte, doch noch.
„Hör mal, Justine, pass demnächst einfach besser auf. Und renn nachts nicht
mehr durch Gänge. Zuviel Feuer unterwegs, das verdreht einem nur den Kopf.“ Sie
sah mich mit großen Augen – diesmal wohl vor Erstaunen – an und sagte dann nach
einer Schrecksekunde: „Ihr wisst das? Aber... Ihr seid... Offizier...“
Jetzt war die Reihe an mir, überrascht zu sein. So kurzsichtig war sie gar
nicht. Im Halbdunkel des Korridors konnte man das Kettenhemd, das ich unter
einer ärmellosen Paradetunika trug, nicht unbedingt sofort erkennen, zumal ich
noch den Umhang darüber trug. Und – was mich noch viel mehr überraschte – sie
hatte die Spangen an meinem Umhang offenbar sofort als Offiziersspangen
erkannt. Vielleicht war sie ein Tollpatsch, aber dumm war sie nicht. Gegen
meinen Willen mischte sich Respekt unter die Missbilligung, die ich ihr bisher
entgegengebracht hatte.
Ich war trotzdem nicht gewillt, irgendetwas davon zu zeigen oder ihr vielleicht auch noch mein magisches Talent zu offenbaren. Also antwortete ich nur etwas schroff: „Ich weiß es einfach, Mädchen. Und jetzt troll dich, ich will hier weg.“ Für einen Moment blitzte etwas Merkwürdiges in ihren Augen auf. Etwas wie... Unwillen, Trotz, Herausforderung. Aber es war ebenso schnell wieder verschwunden, wie es gekommen war, und ich entschied mich, es zu ignorieren.
Mit einem unterdrückten Schnauben erhob ich mich, stieg über sie hinweg und machte mich endgültig auf den Weg zu den Offiziersunterkünften. Göttin, was würde ich froh sein, wenn ich hier erst weg war.